Mittwoch, 25. April 2012

Gedanken, die mir gestern im Bus durch den Kopf gingen...


Ich habe viele Fotos auf dem Weg nach Ziway und in Ziway selbst gemacht. Und ständig habe ich gedacht: jetzt sehe ich das wirkliche Äthiopien, so stellt man sich Äthiopien vor, so sieht man Äthiopien bei uns. Und es ist auch so: Kinder spielen mit alten Fahrradreifen oder Geröll auf der Straße, der Bus muss ständig anhalten, um Ochsen oder Eselwagen von der Straße zu drängen. Auf dem Markt in Ziway haben viele Frauen ihr Gemüse verkauft, Kohl, Tomaten, Peperoni, Zwiebeln, Kartoffeln. Die Kleidung ist sehr einfach, wir würden sagen ärmlich. An mir vorbei werden Ochsenherden von jungen oder alten Männern getrieben. Die Englischkenntnisse lassen eindeutig nach. Es wird trotzdem gelacht, das Familienbeisammensein genossen, mir wird freundlich hinter gerufen „how are you“.

Aber es ist sehr wichtig, zu sehen, dass nicht nur das Äthiopien ist! Addis gehört genauso dazu, auch Bole, der so westliche Teil von Addis. Die Menschen, die dort viel schicker als ich mit I-Phone herumlaufen, sind auch Äthiopier. Einfach eine andere Schicht, aber das gehört auch dazu. Ich habe mich viel mit Tadese unterhalten. Er war sehr enttäuscht, im Oxford-Dictionnary zu sehen, dass bei der Erklärung von „famine“ nur Äthiopien angegeben wurde. Das ist doch nicht alles, meinte er! Die Äthiopier sehen sich nicht als Afrikaner, wie ich schon gesagt habe. Sie sind stolz darauf, nie kolonialisiert gewesen zu sein. 

Tadese ist ein 19-jährige Äthiopier, mit dem ich viel Zeit in Ziway verbracht habe und mit der mir viele Fragen zur Politik und meiner Einstellung gestellt hat. Zum Beispiel hat er mich gefragt, was ich von den Nazis halte. Was wohl, habe ich geantwortet, und gesagt, dass das wohl der schlimmste Teil der deutschen Geschichte ist. Er denkt bzw. hat gelernt, dass Deutschland am Ausbruch des ersten und zweiten Weltkriegs Schuld ist. Jetzt denkt er über Deutschland, dass das wohl das sicherste Land im Moment in Europa ist, aus wirtschaftlicher Perspektive. Und er war sehr „enttäuscht“, so sagte er, von Griechenland, der wirtschaftlichen Situation Griechenlands. Mir war nicht bewusst, dass es verständlich ist, dass sic hdie Äthiopier den Griechen Nahe fühlen: ähnliche Religion, anscheinend gemeinsame historische Wurzeln. Daher ist Griechenland auch sein erstes Reiseziel in Europa, wenn er sich eins wünschen könnte. Tadese ist wohl ein sehr normaler äthiopischer Student. Er studiert Ingenieurwesen in der Uni in Awasa. Man muss keine Studiengebühren zahlen, bekommt eine Unterkunft und Verpflegung. Nach den drei Bachelor-Jahren muss man allerdings Geld zurückzahlen, wohl um die 11000 Birr (500 €). Erst mit Begleichen der Schulden wird das „temporary Degree“ in einen wirklichen Abschluss umgewandelt, sodass man weiterstudieren kann. Für internationales Essen (in Restaurants) habe er als Student natürlich kein Geld. Alkohol trinkt er nicht viel, obwohl er es mit 19 jetzt dürfte, weil das nicht gut angesehen ist. Wenn, dann geht er auch mit Freunden am Wochenende an einen See, und nicht in einen Club. Der Geburtstag wird nur im Kindesalter gefeiert, jetzt gibt es nicht einmal mehr einen Kuchen. Er ist alleine in Awasa, seine gesamte Familie ist in Addis. Die sieht er ungefähr 2 Mal im Jahr. An der Uni gibt es morgens Tee und Brot, ansonsten immer Injera, dreimal die Woche Fleisch dazu, ansonsten Saucen. Einen Laptop bekommt er jetzt wohl ganz neu, das ist klasse und etwas besonderes, denn es gibt an seiner Uni kaum Bücher. Sein Englisch ist sehr gut, finde ich, wir konnten uns wirklich interessant unterhalten!

Tatsächlich habe ich während dieser zwei Tage in Ziway einen tiefen Einblick in ein äthiopisches Familienleben erhalten. Und auch ganz unterschiedliche finanzielle Level gesehen, das war interessant. So habe ich zwar in Ziway nicht immer touristisches Programm gehabt, aber doch die sehr große äthiopische Gastfreundschaft entdecken dürfen! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen